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Die verflixten Zahlen

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Vom Versuch und Scheitern der Medien über Elektromobilität zu berichten.

Als Journalist hat man es manchmal nicht leicht. Morgens sagt der Chefredakteur ein Thema an und am Abend oder wenn man Glück hat ein paar Tage später muss der Artikel oder der Beitrag fertig sein. Natürlich mit Fakten und Experteninterviews. Gerade bei der Elektromobilität scheitern immer wieder Journalisten an dieser Aufgabe. Das Ergebnis sind Artikel und Beiträge die unter Elektroauto-Fahrerinnen und -Fahrern lautes aufstöhnen oder gar öffentliche Empörung auslösen. Berühmtestes Beispiel ist wohl der Reichweitentest für Elektrofahrzeuge der Zeitschrift Auto Motor Sport.

Vergangenen Sonntag ließ ich bei Berlin Direkt im ZDF das Wochenende ausklingen. Ein Beitrag über die Montag und Dienstag stattfindende Nationale Konferenz für Elektromobilität war auch dabei. Innerlich schon auf das schlimmste gefasst, hat es mich dann fast von der Couch gehauen. Aber nicht die Phrasen von Regierungssprecher Seibert waren Schuld. Vielmehr hat der Beitrag tatsächlich versucht das Versagen der Bundesregierung bei der Elektromobilität herauszuarbeiten. Schuld sind aber in erster Linie die Autos selbst. „Sie haben immer noch einen viel höheren Preis als normale Verbrennungsfahrzeuge. Müssen nach 60 bis 90 Kilometern schon wieder aufgeladen werden.“

60 bis 90 Kilometer Reichweite? Ich habe mich wohl verhört! Wie kommt man denn auf so einen Unfug? Kein Wunder, dass niemand ein Elektroauto möchte, wenn derart falsche Behauptungen in Medienberichten wie ein Mantra wiederholt werden. Da kann ich mich hier dumm und dusselig bloggen.

Der Journalist hat immer Recht?

Also einen Hinweis per Twitter an Berlin Direkt geschickt, dass das Elektroauto ja nicht in Fahrt kommen könne, wenn immer wieder solch ein Unsinn berichtet würde. Da wird sicher jemand in der Redaktion nochmal nachschauen und feststellen, dass es falsch ist. Vielleicht würde man es auch korrigieren, denke ich ganz naiv. Aber nichts dergleichen. Die Antwort der Beitragsautorin sprach mir erstmal jegliche fachliche Kompetenz ab und sie beharrte auf ihrer Aussage – sie habe es schließlich recherchiert, Fehler ausgeschlossen. Na dann. Wundert sich da noch ernsthaft jemand, wenn der Journalismus in Deutschland ein Glaubwürdigkeitsproblem hat?

Kein Grund gleich mit der Verschwörungskeule zu schwingen. Denn Fehler können passieren, passieren uns allen und ich habe auch schon Blödsinn geschrieben. Nur wenn der Schreiner einen Fehler macht, sieht es nur sein Kunde. Wenn Journalisten Fehler machen, sehen es alle. Dann sollte man aber mit den Fehlern umgehen können und nicht direkt in eine Abwehrhaltung verfallen.

Man wird aber auch nicht Redakteurin bei Berlin Direkt, wenn man das journalistische Handwerk nicht beherrscht. Wo kamen also diese Zahlen her, wer verbreitet so was? Ich habe die Autorin daher per Mail um ihre Quellen gebeten. Denn eigentlich ist ihr kein Vorwurf zu machen. Sie hat sich eben an dem bedient, was auf dem Meinungsmarkt ist. Und was die Elektromobilität angeht, haben nicht die Nutzerinnen und Nutzer die Meinungshoheit, sondern die von Fördermilliarden gefütterten Institute und Forschungseinrichtungen. Und woran könnten die noch forschen, wenn klar würde, dass Elektromobilität schon längst keine Zukunftsvision mehr ist und sie zugeben müssten, dass ein kalifonisches Start-up die gesamte deutsche Automobilindustrie am Nasenring durch die Manege zieht.

Was bleibt ist der schlechte Ruf der Fahrzeuge

Die Autorin hat dann glücklicherweise nochmal ihre Zahlen überprüft. Ich zitiere mit ihrer Erlaubnis der Antwortmail:

„Ich habe mich auf Zahlen aus einem Vortrag bezogen, den ich am KIT gehört habe und weil ein Batterieforscher diese auch nannte, waren es für mich 60-90 Kilometer im Schnitt. Also sorry, offensichtlicher Fehler weil zu alte Zahlen. […] Ich hoffe nur, dass deutlich wurde in meinem TV-Beitrag, dass es mir nicht um die Herabwürdigung von Elektromobilität ging. […] Mir ging es um das politische Ziel, das nicht erreicht wird.“

Was aber bei den Menschen hängen bleibt, so meine Erfahrung aus vielen Gesprächen, ist, dass es keine vernünftigen Elektroautos gibt. Aber vielleicht bin ich da auch zu pessimistisch. Die Elektromobilität ist in der Tat kein einfaches Thema. Von zu vielen Seiten rufen zu viele Interessen durcheinander. Da braucht es schon Zeit und Hartnäckigkeit, sich ein objektives Bild zu machen. Ein Beispiel für die vielen Stimmen ist die vom Verband der deutschen Automobilwirtschaft propagierte Zahl von 17 deutschen Elektroautomodellen, die bisher auf dem Markt sind. Nachgezählt hat aber offensichtlich noch niemand. Auch im Berlin Direkt-Beitrag wird die Zahl einfach übernommen. Also zählen wir doch mal nach: VW eGolf, VW eUP, BMW i3, Smart ED – der in Frankreich gebaut wird, Mercedes Benz B-Klasse ED und den zumindest in Deutschland gefertigten aber so gut wie nicht verkauften Ford Focus Electric. Wohlwollend sind es also in Summe sechs. Der Rest sind Plug-In-Hybride und die kommen tatsächlich nur 30 Kilometer weit, bevor sie den Verbrennungsmotor anschmeißen.

Worüber wir eigentlich reden sollten

Die traurige Wahrheit ist, dass die deutsche Industrie gerade entgegen ihren vollmundigen Ankündigungen den Trend verpennt. Die Markt- und Technologieführerschaft bei dem Thema haben längst Frankreich, Japan und die USA übernommen. So ist die elektrische B-Klasse von Mercedes Benz technisch komplett von Tesla und mehr schlecht als recht in eine Mercedes-Karosserie eingebaut. Warum begründet Dieter Zetsche in einem seltenen Moment der Ehrlichkeit 2014 im Spiegel-Interview:

„Wir hatten eine Elektroantriebsvariante für die B-Klasse entwickelt, einen Range-Extender. Wir haben mit unserer Lösung die geforderte Leistung nicht erreicht, die Zeitvorgabe und das Budget nicht eingehalten. Und dann gab es ein Novum in unserem Hause: Wir haben das Projekt beendet und entschieden, dass wir diese B-Klasse stattdessen mit einer Antriebseinheit von Tesla ausstatten. Das war ein lauter Weckruf.“

Also bleiben sie, liebe Journalistinnen und Journalisten, gerade beim Thema Elektromobilität besonders kritisch und glauben sie nicht alles, was man ihnen erzählt. Vor allem fragen Sie sich, warum erzählt derjenige mir das was er erzählt. Und vielleicht korrigiert das ZDF ja doch noch den Fehler.

Beitrag in der ZDF-Mediathek

Auszug aus dem Gespräch bei Twitter

 

Der Beitrag Die verflixten Zahlen erschien zuerst auf ZoePionierin.


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