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Was taugen Verbrauchsangaben beim Elektroauto?

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Der Verbrauch von Elektroautos wurde in Europa bisher nach dem NEFZ berechnet. Wie zuverlässig ist die Angabe bei Elektroautos?

Wer ein Auto mit Verbrennungsmotor fährt, fängt bei den Verbrauchsangaben im Katalog erst an zu lachen und dann an leise zu weinen. Selbst der zarteste Gasfuß auf der ebensten Strecke ohne Gegenwind kann diese Verbrauchswerte nicht erreichen. So hat eine Studie des ICCT (International Council on Clean Transportation) gerade wieder herausgefunden, dass die Autos im realen Leben im Schnitt 42 Prozent mehr verbrauchen.

Wie sieht das bei Elektroautos aus, sind die Angaben hier verlässlicher? Die Angabe, die bei Elektroautos als erstes ins Auge sticht ist die Reichweite. Auch die beruht auf dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Die gute Nachricht vorweg, fast alle Elektroautos können die angegebene NEFZ-Reichweite auch auf der Straße erreichen. Die schlechte Nachricht: Ihre Mitmenschen werden Sie hassen. Denn um beispielweise mit einer neuen Renault ZOE R90 die angegebenen 400 Kilometer zu schaffen, bedarf es dem sogenannten „Hypermiling“. Dabei wird extrem verbrauchsoptimiert gefahren. Also nicht schneller als 90 Stundenkilometer, keine starken Beschleunigungen und möglichst gleichmäßig auf der Ebene fahren. Manche Elektromobilisten machen sich einen Spaß aus der Sache.

Reichweite pfui, Verbrauch hui

Die reale Reichweite liegt bei der ZOE R90 im Sommer eher bei um die 300 Kilometer. Im Winter zwischen 200 und 250 Kilometer. Schaut man sich die NEFZ-Reichweiten anderer Elektroautos und ihre realen Reichweiten an, lässt sich folgende Faustregel ableiten. Die reale Reichweite ist ungefähr NEFZ minus ein Drittel. Dabei hängt die Reichweite von einigen Faktoren ab. Doch dazu unten mehr.

Ein zuverlässigerer Wert ist bei Elektroautos im Gegensatz der kombinierte Normverbrauch. Renault gibt bei der ZOE R90 13,3 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometer (km) an. Ein Wert, den man zumindest im Sommer im Alltag ohne Probleme erreichen kann. Tesla gibt für das Model S 75D 18,9 kWh/100 km an. Auch dieser Wert ist im Sommer problemlos zu erreichen.

Rechnet man die Verbräuche auf die Batteriekapazitäten um, zeigen sich, dass die Werte näher an der Realität liegen. Die ZOE R90 hat einen 41 kWh-Akku. Kommt also bei 13,3 kWh/100 Kilometer 308 Kilometer weit. Das Tesla Model S 75D hat einen 75 kWh-Akku, von dem etwa 70 kWh nutzbar sind. Die kombinierte Reichweite liegt also theoretisch bei 370 Kilometern. Beim Sparwunder Hyundai Ioniq liegt der Normverbrauch im Mix bei 11,5 kWh/100 km. Bei seiner 28 kWh-Batterie kommt er mit dem Verbrauch 243 Kilometer weit. Eine durchaus realistische Reichweite.

Viele Spielverderber

Die im vorigen Absatz genannten Reichweiten gelten für optimale Bedingungen. Also wenig Steigungen, moderate Außentemperaturen, die weder Heizung noch Klimaanlage benötigen, trockene Fahrbahn und ein gemäßigter Fahrstil mit einem Mix aus Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten. Es gibt also zahlreiche Faktoren die der Reichweite in die Suppe spucken können. Das gilt übrigens auch für Autos mit Verbrennungsmotor. Auch hier führen diese Faktoren zu einem Mehrverbrauch. Durch die relativ wenige Energie, die die meisten Elektroautos mitführen, fallen sie hier aber stärker ins Gewicht.

Witterungsbedingungen

Bei Regen und nasser Fahrbahn steigt der Rollwiderstand. Das Auto muss also mehr Kraft aufbringen, um mit gleicher Geschwindigkeit voranzukommen. Der Verbrauch steigt. Der erhöhte Rollwiderstand kommt daher, da der Reifen das auf der Fahrbahn stehende Wasser verdrängen muss. Je mehr Wasser auf der Fahrbahn steht, desto größer der Effekt.

Auch Seiten- und Gegenwind erhöhen den Verbrauch, Rückenwind senkt ihn dagegen.

Die Wahl der Reifen hat ebenfalls eine Auswirkung auf den Verbrauch. Wie effizient Reifen mit der Energie umgehen, lässt sich am Energielabel ablesen. In der Regel haben Winterreifen einen höheren Haftwiderstand, so dass hier der Verbrauch ansteigen kann. Auch der Reifendruck hat eine Auswirkung auf den Verbrauch. Muss der Motor ständig schlaffe Reifen umwalken, steigt der Verbrauch. Viele Elektroauto-Fahrer fahren daher mit leichtem Überdruck. Das senkt den Verbrauch aber auch unter umständen den Komfort, da die Federwirkung des Reifens abnimmt.

Außentemperaturen

Verbrenner haben den Vorteil, eigentlich primär fahrende Heizungen zu sein. Gehen doch 70 bis 80 Prozent der Energie als Abwärme „verloren“. Das Elektroauto hat eine sehr gute Systemeffizienz, so dass vergleichsweise wenig Abwärme entsteht. Daher muss das Elektroauto mit Strom heizen und das geht natürlich auf die Reichweite.

Telsa verwendet eine ziemlich primitive Heißluftheizung, die im Prinzip nichts anderes als ein Fön ist einen elektrischen Wärmetauscher um eine Flüssigkeit zu erwärmen, die dann die Kabinenluft heizt. Im (Langstrecken-)Fahrbetrieb nutzt der Tesla über Umschaltventile die Abwärme von Elektromotor und Inverter, um elektrische Energie des Zuheizers zu sparen. Energieeffizient ist anders.  Das System zeichnet sich nicht durch besondere Effizienz aus (Danke an Thomas Igler für die Richtigstellung). Bei den vergleichsweise großen Batterien legt Tesla aber offenbar keinen Wert auf eine effiziente Heizung. Denn es gibt deutlich effizientere Wege ein Elektroauto zu heizen. Die Wärmepumpe kommt bei gleicher Heizleistung mit einem Drittel der Energie aus. Die Renault ZOE hat die Wärmepumpe serienmäßig an Bord. Beim VW eGolf, BMW i3, Nissan Leaf, Nissan eNV 200, Hyundai ioniq electric und anderen Autos gibt es sie gegen Aufpreis oder ab einer bestimmten Ausstattungslinie. Der Vorteil der Wärmepumpe ist, dass sie im Sommer auch als Klimaanlage funktioniert.

Niedrige Außentemperaturen haben auch einen direkten Einfluss auf die Batterie. Der größte Reichweitenverlust im Winter kommt daher nicht unbedingt vom Heizen. Ist die Batterie kalt, kann sie weniger Energie aufnehmen. Vor allem kann sie nur langsam geladen werden. Daher sind die Batterien vieler Elektroautos aktiv geheizt, um die Einbußen im Winter zu kompensieren. Die Batterie zu heizen kostet natürlich ebenfalls Energie.

Wer in der kalten Jahreszeit weite Strecken fahren möchte, sollte unbedingt mit einem vollgeladenen Auto starten. Denn es dauert auch mit Heizung bis die Batterie auf Temperatur kommt und mit voller Leistung schnellladen kann. Fährt man auf der Autobahn die Batterie leer, sind die Batterien auch bei Autos ohne aktive Batterieheizung jedoch durch den Innenwiderstand bei der Entladung warm genug, um wieder Schnellladen zu können.

Topographie

Wer mit dem Fahrrad schon mal einen Berg hinaufgestrampelt ist, weiß um den immensen Kraftaufwand im Vergleich zu Ebene. Obwohl die Schwerkraft die schwächste aller Naturkräfte ist, zehrt sie beim Aufstieg an unseren Kräften. Einem Auto geht es nicht anders. Auch wenn man es beim Elektroauto nur beim Blick auf die Verbrauchsanzeige merkt. Bergauf steigt der Verbrauch massiv an. Die zehn Prozent Batteriekapazität die in der Ebene noch locker für 30 Kilometer reichen würden, schrumpfen je nach Steigung schnell mal auf zehn oder weniger Kilometer zusammen.

Aber überall wo es bergauf geht, geht es auch irgendwann wieder bergab. Und jetzt ist das Elektroauto unschlagbar. Fährt es bergab oder verzögert, kann es die Energie zurück gewinnen. Diesen Prozess nennt man Rekuperation. Dabei wird die Bewegungsenergie oder am Berg die potentielle Energie über den Elektromotor – der zum Generator wird – wieder in elektrische Energie umgewandelt und in der Batterie gespeichert. Weiterer Vorteil, die mechanischen Bremsen müssen kaum oder gar nicht zu Einsatz kommen und werden geschont.

So nivelliert sich der Mehrverbrauch bei einer Fahrt über einen Berg nahezu. Es ist zwar nicht ganz so wie auf der Ebene, aber der Mehrverbrauch ist überschaubar. Voraussetzung ist natürlich, dass man beim Weg ins Tal die Rekuperation auch möglichst ausnutzt. Womit wir bei dem wohl entschiedensten Faktor wären.

Der Fahrstil

Wie weit man tatsächlich mit dem Elektroauto kommt, hat jeder selbst im Fuß. Bleifuß, abruptes Bremsen, starkes Beschleunigen und nicht vorausschauendes Fahren sind absolute Reichweitenkiller. Aber man muss nicht fahren wie auf Valium, um noch vernünftige Reichweiten zu erzielen. Die Zauberworte heißen gleichmäßiges und vorausschauendes Fahren. Im dichten Verkehr auf der Autobahn in jede Lücke beschleunigen, um gleich wieder hinter der nächsten Kolonne abbremsen zu müssen, frisst nicht nur Sprit, sondern auch Strom. Erst kurz vor einer roten Ampel scharf bremsen verspielt kostbare Energie, die durch rechtzeitiges Rekuperieren gewonnen hätte können.

Es braucht ein wenig Übung aber nach ein paar Hundert Kilometern kennt man sein Auto gut genug. Dann ist es kein Problem, allein mit der Rekuperation auf den Punkt genau anhalten zu können. Die mechanische Bremse braucht es dann nur noch um das Fahrzeug am Wegrollen zu hindern. Auch auf der Schnellstraße lässt sich bei gleichmäßiger Fahrweise und Voraussicht auf die mechanische Bremse verzichten. Der Vorteil: die Felgen bleiben schön sauber.

Verzichtet man auf die Rekuperation kann die Reichweite im Stadtverkehr um bis zu 20 Prozent sinken. Das macht deutlich, welches Potential in der Nutzung der regenerativen Bremse liegt. Bei manchen Herstellern wie BMW und Tesla lässt sich die gesamte Rekuperation über das Fahrpedal steuern. So kann man locker mit einem Fuß fahren – das sogenannte One Pedal Drive. Bei der ZOE liegt die eine Hälfte der Rekuperationsstärke auf dem Fahrpedal, die andere Hälfte auf dem Bremspedal. Andere Autos wie der Hyundai ioniq regeln die Stärke der Energierückgewinnung über Pedals am Lenkrad.

Natürlich spielt auch die Durchschnittsgeschwindigkeit beim Verbrauch eine Rolle. Aus der Fahrschule wissen wir noch – oder sollten wir noch wissen, der Windwiderstand steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit: FLuft = rho/2 * cw * A * v2 (rho = Dichte der Luft; cw = cw-Wert; A = Anprallfläche, v = Geschwindigkeit). Die Geschwindigkeit hat also den größten Einfluss auf den zu überwindenden Luftwiderstand. Nun gibt es Autos, die mit hohen Geschwindigkeiten besser zurecht kommen als andere. Das liegt zum einen natürlich am cw-Wert und der Anprallfläche, zum anderen an den technischen Eigenschaften des Elektromotors.

Am unteren Ende des Spektrums liegt die Renault ZOE die jenseits der 110 km/h zur Säuferin wird. Am oberen Ende des Spektrums liegt der an sich schon extrem sparsame Hyundai ioniq, der auch auf der Autobahn in Sachen Effizienz punkten kann.

NEFZ, EPA und WLTP

Wie bei Verbrennern auch unterscheiden sich je nach Größe, Gewicht und Leistung die Verbräuche der verschiedenen Fahrzeuge. Ein tatsächlicher Vergleich ist daher nur in der gleichen Klasse und unter gleichen Bedingungen möglich. Gleiche Bedingungen lassen sich in der Regel nur mit genormten Prüfzyklen wie dem NEFZ sicherstellen. Da der NEFZ aber oft mit der Realität so viel zu tun hat, wie ein rosafarbenes Einhorn, das regenbogenpupsend durch die Luft fliegt, hat dieser Prüfzyklus seit dem 1. September 2017 ausgedient. Näher an der Realität ist der US-amerikanische Prüfzyklus, der auch umgangssprachlich als EPA (United States Environmental Protection Agency) Zyklus bezeichnet wird. Der Verbrauch wird in MPGe (Miles per Gallon Gazoline equivalent (Meilen pro Gallone Benzin äquivalent)) angegeben. 1 MPGe entspricht etwa 0,048 km pro kWh. Der Hyundai ioniq hat einen Wert 136 mpg-e. Mit einer kWh kommt er also 6,5 km weit. Für 100 km ergibt sich so ein Durchschnittsverbrauch von 15,4 kWh/100 km. Damit liegt der EPA Zyklus sehr nah an der Realität und ist im Alltag ohne Probleme zu erreichen und teilweise sogar zu unterbieten.

Der WLTP oder Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure, ist ein neues Testverfahren zur Bestimmung der Abgasemissionen und des Kraftstoffverbrauchs, der seit dem 1. September in der Europäischen Union gilt. Der eigentliche Testzyklus heißt WLTC (Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle). Er soll realitätsnähere Angaben als der bisherige NEFZ liefern. Der Zyklus ist länger und fordert mehr Leistung vom Fahrzeug ab.

Das Elektroauto ist ein Sparwunder

Beim Vergleich des Energieaufwands, um 100 km mit einem Elektroauto oder einem Verbrenner zu fahren, zeigt sich, wie effizient der Elektroantrieb ist. Diesel hat einen Heizwert von 9,7 kWh/l, Benzin von 8,5 kWh/l. Ein Verbrauch von 20 kWh/100 Kilometer entspricht also dem Energiegehalt von 2,06 Litern Diesel oder 2,35 Litern Benzin.

Anhaltspunkte für den realen Verbrauch

Die Seite Spritmonitor ermöglicht es, den Verbrauch seines Fahrzeuges zu erfassen. Über Median und Normalverteilung kommen im Schnitt relativ zuverlässige Werte heraus. Bei vielen Elektroautos ist die Zahl der registrierten Fahrzeuge noch vergleichsweise niedrig. Um so höher die Zahl der registrierten Fahrzeuge, desto genauer ist die durchschnittliche Verbrauchsangabe. Die Angaben decken sich aber meistens mit den Alltagserfahrungen vieler Elektromobilisten.

Beispiele für den Verbauch laut Spritmonitor:

  • BMW i3: 14,88 kWh/100 km (EU*: 12,9 bis 14,3 kWh, EPA: 17,2 bis 18,1 kWh)
  • Hyundai ioniq electric: 12,83 kWh/100 km (EU 11,5 kWh, EPA: 15,7 kWh)
  • Kia Soul EV: 16,97 kWh/100 km (EU: 14,3 kWh, EPA: 20,4 kWh)
  • Mercedes B250e: 20,59 kWh/100 km (EU: 16,6 kWh, EPA: 25 kWh)
  • Mitsubishi i-MiEV: 14,20 kWh/100 km (EU: 13,5 kWh, EPA: 19,1 kWh)
  • Nissan Leaf: 16,58 kWh/100 km (EU: 15,0 kWh, EPA: 18,7 kWh)
  • Renault ZOE: 16,59 kWh/100 km (EU: 13,3 kWh, EPA: n.a.)
  • Smart fortwo (BR452): 15,80 kWh/100 km (EU: 15,1 kWh, EPA: 20 kWh)
  • Tesla Model S: 20,54 kWh/100 km (EU: 18,5 bis 20,0 kWh, EPA: 21 bis 24 kWh)
  • VW eGolf: 16,06 kWh/100 km (EU 12,7 kWh, EPA: 18,4 kWh)

*Die Verbrauchsangaben in der EU basieren auf unterschiedlichen Messverfahren oder sind Herstellerangaben ohne weitere Präzisierung.

Der Beitrag Was taugen Verbrauchsangaben beim Elektroauto? erschien zuerst auf ZoePionierin.


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