Willkommen in der Oberklasse. Tesla ist vom belächelten Newcomer zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden.
Wenn deutsche Autohersteller von Elektroautos sprechen, dauert es nicht lange bis der Ausdruck „Tesla-Fighter” oder gar „Tesla-Killer” fällt. Ein eindeutiges Zeichen, dass der erst ignorierte, dann belächelte und verhöhnte Elektroautohersteller aus Kalifornien inzwischen als ernsthafte Konkurrenz anerkannt ist. Das eigentlich schon ziemlich ausgelutschte Sprichwort Gandhis „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du“, gilt also auch für Tesla.
Inzwischen verkauft sich das Model S in manchen Märkten besser als die Konkurrenz von Daimler, Audi, Porsche und BMW. In den USA führte das Model S 2015 die Verkaufszahlen bei den Oberklassefahrzeugen an. Während bei allen anderen die Verkaufszahlen sanken, konnte alleine Tesla deutlich zulegen. Selbst in Deutschland konnte Tesla mehr Model S absetzen als Porsche Panameras.
Dabei ist es ist keine vier Jahre her, als im Juni 2012 Tesla die ersten Model S in den USA an die Kunden auslieferte. In Europa liefert Tesla das Model S seit August 2013 aus. Seitdem hat Tesla das Model S permanent weiterentwickelt. Fehler konsequent beseitigt und sowohl Hard- als auch Software ständig verbessert. Von der neuen Software profitieren auch Kunden älterer Fahrzeuge, da Tesla diese „over the air“ an alle Fahrzeuge ausliefert und so neue Funktionen und Features zum Fahrzeug hinzufügt. Tesla ist in der Oberklasse angekommen und braucht sich nicht mehr zu verstecken.
Tesla Model S: Testbericht die Zweite
Die größten Neuerungen sind sicher die Fahrassistenz- und Autopilot-Funktionen, die nach und nach mit neuen Software-Updates freigeschaltet werden. Diese Funktionen stehen jedoch nur Model S zur Verfügung, die auch über die entsprechende Hardware verfügen. Das sind in der Regel Fahrzeuge, die ab dem dritten Quartal 2014 vom Band liefen.
Im Mai 2015 durfte ich schon eine Woche mit einem 2013er Model S 60 fahren. In meinem damaligen Testbericht habe ich schon einiges Grundlegendes zum Model S geschrieben. Daher möchte ich an dieser Stelle nicht alles wiederholen.
Jetzt durfte ich wieder für eine Woche mit einem Model S fahren. Im November 2015 meldete sich Tesla Deutschland unverhofft doch noch auf meine Testwagenanfrage. Am 6. Januar war es dann so weit und ich durfte den Testwagen im Tesla-Store Düsseldorf abholen. Diesmal ein Tesla Model S P90D in Deep Blue Metallic – meiner Lieblingsfarbe. Nach einer kurzen Einführung in das Fahrzeug und vor allem in die neuen Fahrassistenz-Systeme konnte es losgehen. Die Bedienung ist tatsächlich kinderleicht, so dass ein kurze Fahrt über die Bundesstraße ausreichte, um sich mit den neuen Features vertraut zu machen.
Eine Reiselimousine ist zum Reisen da
Ein Model S kann man nicht erleben, wenn man morgens damit zur Arbeit fährt, abends zum Einkaufen und dann wieder nach Hause. Also war klar: Urlaub nehmen und auf Richtung Süden. Von Düsseldorf ging es direkt zurück nach Stuttgart. Unterwegs am Supercharger schon das ein oder andere Verkaufsgespräch geführt. Zumindest einer zeigte verächtlich auf seinen BMW und war ganz sicher, dass sein nächstes Auto ein Model S sein wird. Recht hat er.
In Stuttgart dann Koffer, crOhm-Box und Adapter eingepackt und weiter ging es. Platz ist im Model S ausreichend. Der hintere Kofferraum ist mit 745 Litern und 1.645 Litern bei umgelegter zwei Drittel, ein Drittel geteilter Rückbank riesig. Unter dem Kofferraumboden findet sich noch ein weiteres Staufach. Der Clou, wo normalerweise der Motor sitzt, verbirgt sich beim Tesla Model S noch ein weiterer Kofferraum der nochmal 150 Liter fasst – der Frunk, ein Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern für „Vorne“ (Front) und „Kofferraum“ (Trunk) zusammensetzt. Beim Allrad fällt der Frunk wegen des Frontmotors jedoch etwas kleiner aus. Das Model S schluckt also problemlos das Reisegepäck für die ganze Familie. Beim optionalen Panoramadach lässt sich zudem ein Dachgepäckträger installieren. Allein die Kofferraumbeleuchtung fällt leider etwas spärlich aus und ist im Dunkeln recht funzelig.
Mein Blog heißt auch ZoePionierin, da Reisen im Elektroauto auch heute immer noch ein bisschen Pionierarbeit ist. Geht meine Streckenplanung auf, ist die Ladestation frei oder funktioniert sie überhaupt? So fährt vor allem bei unbekannten Strecken ein klein wenig Abenteuer mit. Etwa als ich im Spätsommer 2015 mit meiner ZOE bis in die schottischen Highlands vordrang. Auf meiner Stammstrecke von Stuttgart nach Mainz ist inzwischen auch mit der ZOE das spektakulärste Ereignis, wenn mal kein Stau auf der A81 ist.
Planung ist was für Anfänger (oder Profis)
Mit dem Tesla sollte es jetzt nach Barcelona gehen. Da der Weg das Ziel ist, habe ich mich nicht direkt auf die Autobahn geklemmt, um in einem Rutsch durchzufahren – was mit dem Tesla durchaus möglich wäre. Dass das Model S geradeaus über die Autobahn fahren kann, konnte es später auf der Reise noch eindrücklich unter Beweis stellen. Fünf Tage hatte ich für diesen Roadtrip Zeit. Montags musste ich wieder im Büro antreten. Von Stuttgart ging es am ersten Tag noch bis Basel.
Am folgenden Tag musste der Tesla seine Allradqualitäten im Schnee beweisen. So ging es im dichten Schneetreiben zunächst hoch nach Andermatt. Dort habe ich die teuersten Tortellini meines Lebens gegessen und ein bisschen Strom in den Tesla nachgeladen. Da am Oberalppass und Gotthardpass Wintersperre war, musste ich durch den Gotthardtunnel weiter Richtung Süden. Nun bin ich aber nicht in die Schweiz gekommen, um durch Tunnel zu fahren. Also recherchierte ich am Supercharger in Rivera bei Lugano, welche Pässe offen sind – ich sollte wirklich meine Reisen besser vorbereiten.
Perfekt, der Albulapass nach St. Moritz war offen und in St. Moritz gibt es einen Supercharger. Da eine Übernachtung in St. Moritz das Budget deutlich gesprengt hätte, ging es über den Malojapass wieder die Alpen hinab Richtung Mailand. Also ausreichend Gelegenheit mit dem Model S im Schnee zu spielen.
Ein Auto wie gebaut für verschneite Passstraßen
Allrad fahren im Schnee – was gibt es schöneres? Ganz einfach: mit einem Allrad mit zwei Elektromotoren durch den Schnee fahren! Die beiden Motoren sind perfekt aufeinander abgestimmt. Da sich ein Elektromotor zudem viel schneller regeln lässt als ein träger Verbrennungsmotor, klebt das Model S förmlich auf der geschlossenen Schneedecke. Die über zwei Tonnen Gewicht drücken das Auto zudem fest in den Schnee. Übertreibt man es in der Kurve, verabschiedet sich auch das Model S in die Leitplanke. Aber bis zu diesem Punkt macht es einfach nur Spaß. Man vergisst mitunter, dass man auf einer geschlossenen festgefahrenen Schneedecke fährt.
Die Kurven nimmt das Model S präzise. Das Feedback am Lenkrad lässt einen den Untergrund spüren und gibt schnell ein Gefühl für das physikalische Limit. Aus der Kurve kann man zum Zwischensprint bis zur nächsten Kurve ansetzen. Dabei schwänzelt das Heck nur einen Sekundenbruchteil, bevor das Model S stabil nach vorne sprintet. Dabei setzen die beiden Motoren genau so viel Leistung frei, dass die Räder optimale Traktion haben. Geht man vor der Kurve vom Strompedal, nimmt die Rekuperation die Beschleunigung wieder auf und man kann in die nächste Kurve eintauchen. So schlängelt sich das Model S den Pass hoch. Und das einzige was man dabei hört, ist das Knirschen des Schnees unter den Rädern. Kein Röhren des Motors, kein ächzendes und jammerndes Getriebe, keine Automatik die verzweifelt versucht den richtigen Gang zwischen Traktion und Vortrieb zu finden. Die Leistungsentfaltung der Elektromotoren ist augenblicklich, die Rekuperation verzögert verschleißfrei und lässt einen die Kurven sanft anbremsen, um nach der Kehre zum neuerlichen Sprint in fast absoluter Stille auszuholen. Zum Glück hatte ich freie Fahrt auf dem Pass, so dass ich wie ein kleines Kind jauchzend, einem Model S P90D würdig, den Pass hochfahren konnte.
Ich wäre am liebsten die restlichen Tage den Pass immer wieder rauf und runter gefahren. Hätte das tiefblaue Model S sanft durch die Landschaft surren lassen – aber ich wollte ja noch ans Mittelmeer.
Der einzige Wermutstropfen ist die Größe des Model S. In den sehr engen Kehren des Malojapass‘ merkt man doch recht schnell, dass das Model S eben kein wendiger Roadster ist. Auch schieben die über zwei Tonnen ordentlich beim Bergabfahren über die schneebedeckte Passstraße. Die 5 x 2,2 Meter Auto sicher um die auf dem Gefälle liegenden Haarnadelkurven zu bringen verlangt besondere Aufmerksamkeit. Trotz seiner Größe ist das Auto aber überraschend wendig, die Lenkung reagiert präzise und direkt. Und man muss sich auch hier nicht um eine Schaltung kümmern oder mit der Automatik diskutieren, welchen Gang sie nehmen soll. Man kann sich ganz auf die Kurven und das Fahrerlebnis konzentrieren. Dank bis zu 70 Kilowatt Rekuperationsleistung muss man sich auch keine Gedanken darüber machen, dass die Bremsen zu heiß werden und eventuell ihren Dienst quittieren.
Irgendwie habe ich vorher geglaubt ich bräuchte kein Auto mit Allradantrieb. Jetzt will ich eigentlich auf der Stelle einen Allrad haben und nur noch Passstraßen hoch- und runterfahren. Wie andere nicht aufhören können zu essen, kann ich nicht aufhören (Elektro-)Auto zu fahren.
Vom Schnee in die Sonne des Mittelmeers
Am Supercharger in Carpiano südlich von Mailand ging der aufregende zweite Tag mit dem Model S dann zu Ende und ich verbrachte die Nacht im Hotel direkt am Supercharger. Am nächsten Morgen würde ich das Mittelmeer sehen! Da der Autohof offenbar etwas typisch deutsches ist, stehen die Supercharger außerhalb Deutschlands zumeist an Hotels in Autobahnnähe.
Da die Landstraßen südlich von Carpiano alles andere als spektakulär sind, bin ich relativ bald auf die Autobahn 7 Richtung Genua gefahren. Ich habe mich ja schon in meinem ersten Bericht über das Navi im Tesla ausgelassen. Und auch hier muss ich mal wieder rumnörgeln. Sollte man doch von einem Navi eines Autos dieser Preisklasse erwarten, dass es die Dimensionen des Autos kennt und einen nicht auf Straßen schickt, die für Fahrzeuge über zwei Meter Breite gesperrt sind. Das Navi ist und bleibt leider immer noch der Hauptkritikpunkt am Tesla Model S. Darauf komme ich aber später nochmal zurück.
Erster Supercharger-Stopp war in Varzarre, direkt am Yachthafen. Hier gab es außer dicke Luxuskähne angucken, leider wenig zu tun. Die Anfahrt über die Autobahn nach Genua ist jedoch atemberaubend. Aus den Bergen kommend öffnet sich der Blick aufs Mittelmeer und eine Kaskade an riesigen Viadukten und Tunnels führt einen langsam auf Meereshöhe hinab.
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Auf der Autobahn ging es dann auch große Strecken mit dem „Autopiloten“. Stand Software 7.0 (Softwarestand bei der Testfahrt) „beschränkt“ sich der Autopilot auf einen Abstandstempomat, das automatische Halten der Fahrspur, den automatischen Spurwechsel und das selbstständige seitliche Einparken. Das bedeutet aber nicht, dass man auf der Autobahn den Autopiloten einschaltet, um sich dann in ein Buch zu vertiefen oder auf dem am Smartphone die Emails zu checken. Denn Tesla sagt ausdrücklich – und so ist auch die derzeitige Rechtslage – dass der Fahrer immer verantwortlich für das Fahrzeug ist. Im Dashbord erscheint beim aktivieren des Autopiloten auch der Hinweis, die Hände am Lenkrad zu halten.
Wozu dann das Ganze? Das war auch eine Frage, die ich mir vor meiner Ausfahrt mit dem Tesla gestellt habe. Dann kann ich doch auch gleich selbst fahren. Ehrlich stand ich dem Ganzen – diplomatisch ausgedrückt – skeptisch gegenüber. Doch im Nachhinein muss ich zugeben, dass man sich schnell an diesen Komfort gewöhnt und wo immer möglich zweimal kurz am Tempomathebel zieht und so den Autopiloten aktiviert, um sich vom Model S über die Autobahn chauffieren zu lassen. Am Abstandstempomat lässt sich der gewünschte Abstand in acht Stufen einstellen. Schert ein Fahrzeug vor einem aus, hält der adpative Tempomat den voreingestllten Abstand, ist der Weg wieder frei, beschleunigt das Auto wieder automatisch auf die eingestellte Geschwindigkeit.
Der Fahrer überwacht dann die Technik. Und die hat mitunter noch Tücken. So zieht der Autopilot gerne mal in Ausfahrten – auch wenn man nicht abfahren möchte. Dieser Fehler soll allerdings mit dem Update auf 7.1 aber weitestgehend beseitigt worden sein. Ansonsten muss man sich an das Überholen von Lkw gewöhnen. Auf den ersten Blick scheint das Auto zu wenig Abstand zum Lkw zu halten. Ein Blick in den Außenspiegel zeigt aber, dass der Platz durchaus ausreicht. Sollte der Lkw einen Schlenker auf das Auto zu machen, greift die Automatik ebenfalls ein, um eine Kollision verhindern – getestet habe ich das aber verständlicherweise nicht. Mit dem Update auf 7.1 wurde der Abstand zu sich bewegenden Objekten, wie etwa Lkw, im Vergleich zu stehenden Objekten, wie etwa Leitplanken, vergrößert.
Optimierung am lebenden Objekt
Auf meinen 3.650 Kilometern mit dem Model S hat der Abstandstempomat eine Fehlauslösung gehabt. Bei der Fahrt mit Tempomat durch eine Ortschaft löste die Auffahrwarnung aus und bremste das Fahrzeug, obwohl sich nichts vor mir befand. Hier hat das Model S wohl ein Gespenst gesehen. Tesla hat dies ebenfalls mit der Software 7.1 optimiert, so dass derartige Fehlalarme noch seltener sein sollen.
Seit der Version 7.1 unterscheidet das Model S in der Armaturenbrettanzeige auch zwischen Autos, Lkw und Motorrädern. Zudem können mehrere Fahrzeuge angezeigt werden. Neben dem seitlichen rückwärts einparken beherrscht das Model S jetzt auch das rechtwinklige rückwärts einparken.
Mit jedem Update wird der Autopilot besser. Und schon jetzt entlastet er auf längeren Autobahnstrecken den Fahrer. Im dichten Verkehr schwimmt das Model S selbstständig im Verkehr mit. Im Stop and go fährt das Tesla Model S selbstständig wieder an, wenn der Verkehr weiterollt. Auch bei freier Fahrt entlastet das automatische Halten der Spur den Fahrer merklich.
Geläuterte Autopilotskeptikerin
Beim Umstieg zurück auf meine ZOE musste ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, dass sie das alles nicht kann. Nachdem ich zuvor wenig bis gar nichts von diesen Funktionen hielt, vermisse ich sie heute bei langen Autobahnfahrten. Sollte ich mir eines Tages ein Tesla Model S kaufen, ist die Autopilot-Ausstattung auf jeden Fall Pflicht.
Cruisen am Mittelmeer
Nach dem Stopp am Supercharger habe ich den Tag auf der Via Aurelia Richtung Monacco und Nizza vertrödelt. Die Küstenstraße führt ab Varzarra direkt am Meer entlang. Links das Mittelmeer, rechts steigen die Berge empor. Zwischendurch immer wieder durch Küstenortschaften – Savona, Albenga, Imperia, San Remo bis Monte Carlo. Das Model S scheint wie gemacht für diese Landschaft. Allein die teilweise engen Gassen, stellten mitunter eine Herausforderung dar. Zudem muss man sich an den Fahrstil der Italiener gewöhnen und daran, dass links und rechts um das Auto ständig Motorroller flitzen. Da hatte ich teilweise schon ein bisschen Angst um das teure Auto. Spannender und schöner als stur auf der parallelen Autostrada zu fahren war es trotzdem.
Ab Monte Carlo ging es dann auf die Autobahn bis Aix-en-Provence, nördlich von Marseille. Das Appart’hotel Odalys Aix Chartreuse war dann der Reinfall der Reise. Der Fliesenboden im Zimmer klebte wie nach einer wilden Party, das Bad hat man besser nur im dunklen betreten und das W-LAN war ohne Funktion. Das hatte ich dann eben davon, weil ich beim Hotel zu geizig war.
Durch die Etappe über die Via Aurelia habe ich sehr viel Zeit verloren. Es hat sich aber auf jeden Fall gelohnt. Daher habe ich meine Pläne bis Barcelona zu fahren ad acta gelegt. Es ging dann nur noch zum Fotoshooting mit dem Model S an die Küste nach La Couronne, westlich von Marseille. Felsenküste und Mittelmeer – eine ideale Kulisse für das Tesla Model S.
Und dann bin ich einfach heimgefahren
Es war so unspektakulär wie es klingt. Um kurz nach eins habe ich meine Heimatadresse ins Navi eingegeben. Für die knapp 1.000 Kilometer hat das Model S eine Reisezeit inklusive Superchargerstopps von knapp 12 Stunden kalkuliert. Wegen ziemlich dichten Nebels in den Vogesen und im Schwarzwald hat es dann ein bisschen länger gedauert. Zudem habe ich am letzten Supercharger in Sulz am Neckar vollgeladen, um für den Sonntag Strom zu haben. Zuhause kann ich nur an Schuko mit 10 Ampere laden. Mit einer 90 Kilowattstunden-Batterie ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Um halb drei Nachts stand ich dann wieder auf meinem Parkplatz in Stuttgart.
Auch habe ich den Fehler gemacht, auf der A81 vor dem Supercharger den Tesla auszufahren. Normalerweise fahre ich gemütlich mit maximal 120 bis 130 Stundenkilometer durch die Lande. Aber man muss ja auch mal schauen, was der P90D so drauf hat und um die Uhrzeit war die Autobahn sehr leer.
Was ich nicht wusste, wenn die Batterien zu heiß werden, kann der Tesla nicht mehr mit voller Leistung laden. So lud das Models S am Supercharger in Sulz nur mit 50 Kilowatt. Inzwischen hat mich ein erfahrener Teslafahrer aufgeklärt, dass man etwa zehn Kilometer von dem Supercharger auf Richtgeschwindigkeit reduzieren sollte. Dann kann das Model S die Akkus wieder kühlen. Gut, ich bin sehr lange, sehr schnell gefahren.
„Fahren Sie, wir kümmern uns um den Rest“
Aber das Ganze hat gezeigt, man kann mit dem Model S problemlos an einem Tag ans Mittelmeer fahren. Dank des ständig wachsenden Supercharger-Netzes ist bald jeder Punkt in Europa zu erreichen. Derzeit gibt es vor allem in Italien und Spanien noch große Lücken, die Tesla aber 2016 schließen wird. Wo es keine Supercharger gibt, kann das Model S mittels eines speziellen Adapters an CHAdeMO-Ladesäulen laden. Hier kann man immerhin noch über 200 Kilometer pro Stunde nachladen. Serienmäßig kommt das Model S mit einem 11 Kilowatt Drehstromlader. Damit bekommt man 50 Kilometer pro Stunde in den Akku. Für 2.000 Euro lässt sich ein zweiter 11 Kilowatt Drehstromlader von Tesla nachrüsten, so dass das Model S mit 22 Kilowatt 100 Kilometer pro Stunde laden kann. Am Supercharger sind es zwischen 220 (70 Kilowattstunden Batterie) und 300 Kilometer (90 Kilowattstunden Batterie) pro 30 Minuten. Damit ist das Model S noch vor der Renault ZOE das Auto mit der größten Flexibilität bei den Lademöglichkeiten. Dazu ist der Strom an den Superchargern bereits im Kaufpreis des Autos enthalten. Inzwischen zeigt das Model S im Navi an, ob der Supercharger verfügbar ist. Ich habe aber noch nichts davon gehört, dass defekte Supercharger ein wirkliches Problem wären. Tesla ist sehr dahinter, möglichst 100 Prozent Uptime zu garantieren.
Dieses Navi macht mich fertig
Nun muss ich die folgenden Worte sorgsam wählen, sonst bekomme ich Beef mit der Tesla-Fangemeinde: Das Navi ist eine himmelschreiende Unverschämtheit in einem Auto dieser Preisklasse! Ich habe mich bereits in meinem ersten Bericht ausführlich über dieses Navi aufgeregt. Leider hat sich bis jetzt nichts essentiell daran geändert. Inzwischen ist es allerdings möglich bei schlechtem Mobilfunknetz manuell auf die Zielsuche über das Hardware-Garmin-Navi umzuschalten.
Warum Tesla ausgerechnet ein Garmin-Navi auf das System geflanscht hat, bleibt wohl ein Rätsel. Die Karte im Dashbord ist in Graustufen gehalten, unpräzise und schwer lesbar. Die Grafiken des Fahrspurassistenten sind nicht auf die Auflösung des Dashboards angepasst, so dass die Namen auf den Schildern unscharf sind und das ganze Bild matschig wirkt. Die Verkehrsdaten von Google haben sich auf meiner Fahrt als pure Kaffeesatzleserei herausgestellt. Gesperrte Straßen kennt das Navi genauso wenig, wie die Maße des Autos. So schickt einen das Navi auch gerne mal auf Straßen, die für die Größe des Fahrzeugs nicht zugelassen sind. Einmal kalkulierte das Navi einen Autoreisezug mit in die Route ein, ohne dies irgendwie zu kennzeichnen. Zudem war die Zugverbindung außer Betrieb.
Eine Lieblingsbeschäftigung des Navis scheint die Neuplanung der Route ohne jeglichen Hinweis zu sein. Mal ist ein (vermeintlicher) Stau die Ursache, mal weiß nur das Navi selbst, warum es den Fahrer hin und her schickt. Ich würde gerne selbst entscheiden können, welche Strecke ich fahre. Denn manchmal ist der Mensch schlauer als der Computer.
Zwischenziele, alternative Routenführung, Eco-Route, kürzeste Strecke, Autobahnen meiden oder bestimmte Verkehrsmittel wie Fähre, Autozug oder Mautstrecken ausschließen – eigentlich in jedem 50 Euro-Discounter-Navi Standard – fehlen beim Model S immer noch.
Nicht alles am Navi ist schlecht
Ich habe mit mehreren Tesla-Fahrer darüber gesprochen und meinem Unmut Luft gemacht. Der Mensch ist, so scheint es, ein Gewohnheitstier – so dass sich viele an das Navi gewöhnt haben und meinten ich übertreibe. Die haben wohl noch nie ein TomTom, wie es in der ZOE verbaut ist, benutzt.
Zugute halten muss man der Navigation allerdings, dass die Onlinesuche (wenn man Netz hat) wesentlich einfacher und schneller geht, als bei jedem anderen Navi. Zudem kann das Navi auf Adressbuch und Kalender des Telefons zugreifen, so dass man einfach und schnell zu Terminen und Kontakten navigieren kann.
Leider kennt das Navi nur Supercharger und die Ladestationen, an denen man bereits geladen hat. Das Aufspielen eines Datenbank-Dumps wie bei ZOEs R-Link oder gar Livedaten aus einer Datenbank gibt es leider nicht. Bei der Planung von langen Strecken, kalkuliert das Model S direkt die Superchager-Stopps hinzu und gibt sogar die jeweilige Ladezeit an. Das ist einmalig in allen verfügbaren Elektroautos und ein großes Komfortmerkmal. Denn der Fahrer muss sich keine Gedanken mehr darüber machen, wann er wo, wie lange warten muss.
Konnektivität braucht dringend ein Upgrade
Tesla muss aufpassen, vor lauter Innovation nicht andere Innovationen zu verpassen. Die Media Control Unit (MCU), so heißt der 17 Zoll große Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts, könnte langsam mal ein Hardwareupdate vertragen. Bisher kann das System nur 3G. Andere Hersteller bieten inzwischen LTE-Module und einen W-LAN Hotspot im Fahrzeug an.
Update: Inzwischen liefert Tesla offenbar neue Model S mit LTE-Modul aus.
Dass die MCU nicht für App-Entwickler geöffnet wird, ist nachvollziehbar. Ist doch das ganze Fahrzeug darüber steuerbar. Zu groß ist die Gefahr, dass irgendwer über eine App Malware ins Fahrzeug einschleust.
Dagegen wird Tesla wohl auf das Spiegeln von Apps von Apple- und Androidgeräten auf die MCU setzen. Laut einer Aussage von Tesla CEO Elon Musk, soll es Mitte 2016 entsprechende Schnittstellen geben. Höchste Zeit, denn beim Thema Apple Car Play und Android Auto sind andere schon deutlich weiter. Es würde nicht zu Tesla passen, hier noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Und dann lässt sich vielleicht auch die Navigationsapp der Wahl auf dem 17 Zoll Bildschirm aufrufen, die sogar mich glücklich macht.
Immer gut unterhalten
Erfreulich ist, dass mit dem Update auf 7.1 der Streamingdienst „Rdio“ durch „Spotify“ ersetzt wurde. Hier ist das Angebot an Musik und Playlisten viel größer. So kommt auf keiner Fahrt Langeweile auf. Ansonsten unterhalten MP3-Wiedergabe, Bluetooth-Kopplung, UKW- und MW-Radio, Internetradio und optionales DAB. Beim Internetradio könnte die Suche etwas optimiert werden. Bis der Lieblingssender gefunden ist, muss man sich mitunter ganz schön lange durch Menüs klicken.
DAB gibt es nur mit dem Ultra High Fidelity Soundpaket. Irgendwie wollte es im Testfahrzeug aber nicht so richtig. So dass man jedes Mal nach dem Einsteigen den Sender neu auswählen musste. Auch hier ist der Sendersuchlauf zu kompliziert und müsste dringend überarbeitet werden. Da aber alle DAB-Sender über Internetradio empfangbar sind, ist es eigentlich obsolet.
Apropos Internet. Deutschland ist leider in Sachen Mobilfunk noch Entwicklungsland. So hat man in Deutschland mitunter mit schlechter Netzabdeckung zu kämpfen. In der Schweiz, Italien und Frankreich war es deutlich besser.
Aus den Fehlern gelernt
Im Oktober 2015 ging die Meldung durch die Medien, dass Consumer Reports seine einstige Rekordbewertung für das Model S zurückgezogen habe. Grund war eine überdurchschnittliche Störanfälligkeit des Model S. Laut Elon Musk bezog sich die nachträgliche negative Bewertung auf Fahrzeuge, die am Anfang der Produktion vom Band liefen. Die Probleme seien nach und nach in der laufenden Produktion behoben worden. So gibt auch Customer Reports zu bedenken, dass alle Probleme der Kunden von Tesla auf Garantie instand gesetzt wurden.
In meinem ersten Bericht schrieb ich bereits, dass die frühen Model S noch einige Probleme bei der Verarbeitung hatten. Auch die „Driveunit“ genannte Antriebseinheit aus Inverter, Motor und Reduziergetriebe machte Tesla arge Probleme.
Beim Testfahrzeug, ein Tesla Baujahr September 2015, fand sich an der Verarbeitung nichts mehr auszusetzen. Die Spaltmaße sind rundum sauber. Selbst die größte Problemecke am Übergang des vorderen Kofferraumdeckels zu den Lampen und dem „Kühlergrill“ ist inzwischen nicht mehr zu beanstanden. Im Testwagen hat nichts geklappert oder geknarzt. Die Dichtungsgummis lagen sauber da wo sie hingehören. Die Verarbeitung des Leders an den Sitzen und am Armaturenbrett war sauber und ebenfalls nicht zu beanstanden. Einzig das Bremspedal ist immer noch nicht gedämpft und schlägt klappernd zurück. Da man das Pedal aber so gut wie nie braucht, fällt es jedoch nicht so auf.
Fazit
Wer heute noch 100.000 Euro in ein Auto mit Verbrennungsmotor investiert, ist selbst schuld. Bei jedem dicken Porsche den ich sehe, denke ich, was man für das Geld einen schönen Tesla bekommen hätte. Auch sollte sich jeder bewusst sein, dass wenn er heute einen Diesel kauft damit rechnen muss, in zwei bis fünf Jahren in viele europäische Städte nicht mehr fahren zu dürfen. Und auch den Benzinern wird es über kurz oder lang an den Kragen gehen.
Und der Tesla ist absolut alltagstauglich und meistert dank des Superchargernetz‘ auch größere Entfernungen ohne Probleme. Den Fahrkomfort eines Elektroautos ist durch nichts auf thermischer Basis angetriebenes zu ersetzen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren, die das Model S jetzt schon vom Band läuft, hat Tesla gelernt, wie man eine Oberklasselimousine baut. Das Model S muss sich nicht hinter seinen direkten Konkurrenten Audi A7, BMW 6er oder Mercedes E-Klasse verstecken. Auch beim Preis ist das Elektroauto aus Kalifornien absolut konkurrenzfähig.
Und hier hat Tesla etwas Besonderes geschafft. Denn der Tesla ist kein Chichi für Superreiche. Es gibt zahlreiche Teslakunden, die sich nie ein Auto in dieser Preisklasse mit Verbrennungsmotor gekauft hätten. Teslas Pfund ist zudem das Superchargernetz. Auch wenn tatsächlich irgendwann mal ein deutscher Teslafighter in den Schauräumen der Autohändler steht, fehlt ein passendes europaweites Schnellladenetz. Gerade wird in Deutschland für viel Geld sehr schleppend eine Schnellladeinfrastruktur mit 50 Kilowatt gebaut. Teslas Supercharger liefern heute schon 135 Kilowatt. Wenn die ersten Teslafighter 2018 auf den Markt kommen, haben sie schon fünf Jahre Rückstand beim Ausbau eines Ladenetzes. Und das bestehende Netz von Tesla zu benutzen, verbietet der Stolz deutscher Autobauer. Eigentlich haben sie und damit unsere Industrie und tausende von Arbeitsplätzen nur eine Chance, wenn Sie jetzt gemeinsam mit allen anderen europäischen Autobauern einen Schnellladestandard, der dem von Tesla in nichts nachsteht, über ganz Europa ausrollen.
Mit dem Chevrolet Bolt respektive Opel Ampera-e mit seinen 320 Kilometern realer Reichweite, gerät Tesla wohl zum ersten Mal in die Defensive. Denn das Model 3 wird sicher später auf den Markt kommen. In Europa könnte es sich sogar bis 2018 hinziehen. Aber Elon Musk will mit Tesla auch nicht die ganze Welt elektrifizieren. Die Konkurrenz ist also willkommen und belebt hoffentlich das Geschäft.
Die Zahlen
Ich bin mit dem Tesla insgesamt 3.635,7 Kilometer gefahren. Dabei habe ich 843 Kilowattstunden verbraucht. Im Schnitt ergibt das einen Verbrauch von 23,2 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Auf der Autobahn bin ich in der Regel zwischen 120 und 130 Stundenkilomter gefahren. Die reale Reichweite betrug im Schnitt knapp 400 Kilometer pro Akkuladung. Auf der Tour ging es sowohl über die Alpen als auch über die Vogesen und den Schwarzwald. Der Testwagen hatte 21 Zoll Räder die mit Winterreifen bezogen waren. Geladen habe ich bis auf eine Ausnahme in Zermatt ausschließlich am Supercharger. In Zermatt entsanden durch den Verzehr im Hotelrestaurant keine Ladekosten. In der Schweiz (Jahresvignette) und in Frankreich (Streckenabhängig) fielen Mautkosten an.
Der Testwagen
- Tesla Model S P90D – Grundpreis: 120.300 Euro
- 21 Zoll Felgen Turbine Grau: 5.000 Euro
- Panorama Glasdach: 1.700 Euro
- Deep Blue Metallic Lackierung: 1.100 Euro
- Performance Sitze (Leder) hellbraun: 2.800 Euro
- Spoiler aus Karbon: 1.100 Euro
- Autopilot Komfortmerkmale: 2.800 Euro
- Premium Interieur und Beleuchtung: 3.300 Euro
- Smart Air Luftfederung: 2.800 Euro
- Ultra High Fidelity Sound: 2.800 Euro
- Kaltwetter-Paket: 1.100 Euro
Barpreis: 144.800 Euro
Der Grundpreis für das Model S 70 mit einem 70 Kilowattstunden großen Akku und reinem Heckantrieb liegt zurzeit bei 78.000 Euro. Gebrauchte Model S sind inzwischen ab etwa 60.000 Euro zu haben.
Das Testfahrzeug wurde mir für den Zeitraum von einer Woche kostenfrei von Tesla Motors Deutschland zur Verfügung gestellt.
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